Liebe Lina, du bist 22 Jahre alt und hast es bereits geschafft „Falling Skye“ beim Coppenrath Verlag zu veröffentlichen. Dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch. 🙂
Dankeschön! 😀
Du schreibst, seit du 11 Jahre alt bist und studierst Psychologie. Was fasziniert dich so sehr an der menschlichen Psyche?
Ich finde es spannend, zu verstehen, wie Menschen zu ihren Einstellungen kommen. Warum wir denken, wie wir denken und was dazu führt, dass wir uns in manchen Dingen ähneln und in anderen so sehr voneinander unterscheiden. Das sind tatsächlich auch die Fragen, die ich mir für jede meiner Figuren stelle, bevor ich losschreibe. Das macht es einfacher, in die Haut einer anderen Person zu schlüpfen.
Inspiriert dich dein Studiengang? Wenn ja, gibt es eine Vorlesung, die du deshalb besonders gerne besucht hast?
Psychologie ist gerade im Bachelor-Studium ein sehr naturwissenschaftliches und mathematisches Fach. In der ersten Zeit habe ich mich mit dem Schreiben also eher von dem trockenen Lernstoff abgelenkt, aber jetzt in den höheren Semestern geht es viel um das menschliche Verhalten und Erleben und die Dinge, die ihnen zugrunde liegen.
Mein Studienfach, besonders die Sozialpsychologie und die Differentielle Psychologie, hilft mir sehr bei der Charakterentwicklung und dabei, mich in andere Menschen hineinzuversetzen, was als Autorin eine wichtige Fähigkeit ist. Es tauchen aber auch ganz konkrete Dinge aus meinem Uni-Alltag in „Falling Skye“ auf. Die Statistikaufgabe, die Skye zu Beginn von Kapitel 3 lösen muss, war zum Beispiel der Stoff meiner ersten Uni-Klausur.
In einem anderen Interview hast du erzählt, dass dir Ideen oft in ganz alltäglichen Situationen kommen. Zum Beispiel in der Uni, im Kino oder in der Fußgängerzone. Gibt es vielleicht eine Anekdote dazu, wie du mitten in der Stadt deine Idee mit Hilfe einer Diktierapp festhältst, während einige Passanten an die vorbei laufen?
Ziemlich viele sogar! Meistens fallen mir unterwegs Gespräche ein, Dinge, die eine meiner Figuren sagen oder die sie bewegen könnte. Oft sind das nur Kleinigkeiten, denn den großen Spannungsbogen plane ich am Schreibtisch, aber manchmal überfallen mich auch wirklich wichtige Einfälle einfach so zwischendurch, zum Beispiel die Idee zum Schlüsseldialog am Ende von Band 2. Ich saß eigentlich gerade im Kino und habe mir Downton Abbey angesehen, aber da musste der Film warten.
Als „neuer“ Autor ist es oft schwer, in der Buchwelt Fuß zu fassen. Wie lange hat es bei dir gedauert, bis du eine Agentur einen den passenden Verlag gefunden hast?
Vor genau diesem Umstand hatte ich eine riesige Angst. Das Manuskript zu meinem ersten (unveröffentlichten) Buch war fertig, tausendmal überarbeitet und ich stand vor der Frage, wie um alles in der Welt ich jemals genug aus der Masse herausstechen sollte, um veröffentlicht zu werden. Die meisten Informationen, die man bei der Internet-Recherche findet, sind ziemlich demotivierend. Verlage werden überflutet mit Manuskripten, auf Antworten kann man frühestens in einem halben Jahr hoffen, wenn überhaupt. (Das soll keinesfalls eine Kritik an den Verlagen sein, deren Lektorinnen und Lektoren neben der Manuskriptprüfung ja auch noch mit ihren bestehenden Autor*innen an deren Büchern arbeiten. Bloß ist die Aussicht, verständlicherweise auf dem Stapel vergessen zu werden, natürlich etwas entmutigend.)
Bei meiner Internetrecherche bin ich aber auch auf ein Interview mit dem Chef meiner heutigen Agentur gestoßen. Er hat darüber gesprochen, wie selten die Manuskripte unbekannter Autor*innen veröffentlicht oder überhaupt geprüft werden und wie unschön diese Aussicht sein muss, wenn man gerade so viel Arbeit und Herzblut in sein Buch gesteckt hat. Meine Agentur verspricht, dass alle eingehenden Manuskripte innerhalb von zwei Monaten geprüft werden. Hört man nichts, ist das eine Absage. Für mich klang sehr fair und wertschätzend, also habe ich mir ein Herz gefasst und eine Leseprobe mit Exposé losgeschickt. Der erste Monat verging und meine Hoffnung schwand, bis ich – eine Woche vor Ablauf der Frist – die Zusage bekam. Von diesem Moment an habe ich begonnen, eine ganze Menge über die Verlagswelt zu lernen, angefangen mit der Lektion, dass es nicht immer beim ersten Versuch klappen kann. Für mein erstes Buch haben meine Agentin und ich keinen Verlag gefunden, obwohl ich fest damit gerechnet hatte, nachdem ich von einer der renommiertesten Agenturen unter Vertrag genommen worden war. Aber ich habe nicht aufgegeben, weil ich das Schreiben schlichtweg nicht mehr aufgeben konnte. Als mir dann die Idee zu „Falling Skye“ kam wusste ich, dass ich weitermachen muss, weil ich diese Geschichte unbedingt erzählen wollte. Meine Agentin hat das Manuskript dann 2018 mit auf die Frankfurter Buchmesse genommen. Ich war zwar noch gar nicht fertig – Falling Skye hatte erst 200 Seiten – aber das Kernthema des Buches war und ist so aktuell, dass wir nicht länger warten und die Gelegenheit der Messe nutzen wollten. Ich habe gar nicht damit gerechnet, einen Verlag zu finden, immerhin war ich eine völlig unbekannte Erstautorin mit einem halbfertigen Manuskript. Aber ein paar Wochen nach der Messe bekam ich einen Anruf, in dem meine Agentin mir mitteilte, dass „Falling Skye“ sogar mehrere Angebote bekommen hat. Nach ein paar schlaflosen Nächten stand meine Entscheidung für den Coppenrath-Verlag, über die ich noch immer sehr glücklich bin.
Kannst du anderen Wortkünstlern und Schreibbegeisterten einen Tipp geben, wie sie ihr Manuskript einer Agentur oder einem Verlag vorstellen?
In Autorenforen geht es viel um die Form. Es heißt dann oft, man muss auf jeden Fall in perfektem Normseitenformat schreiben, darf nur bestimmte Schriftarten nutzen, darf keinen einzigen Rechtschreibfehler machen …
Natürlich ist all das hilfreich für denjenigen, der euer Manuskript am Ende prüft, aber niemand wird eine tolle Geschichte ablehnen, nur weil ihr mal einen kleinen Fehler gemacht habt. Konzentriert euch auf einen guten Spannungsbogen, auf lebendige Charaktere und schreibt über die Dinge, die euch am Herzen liegen. Und wenn ihr eure Bewerbungen losschickt, achtet darauf, dass euer Genre in das Programm des angeschriebenen Verlags passt. Ein Verlag, der seinen Schwerpunkt auf Fantasy gelegt hat, wird sich nie für euren historischen Roman interessieren – egal, wie gut der geschrieben ist.

Jetzt aber zu deinem Buch. 🙂
Wärst du so lieb und erzählst uns kurz, worum es in „Falling Skye“ geht?
„Falling Skye“ erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die alles andere als die geborene Heldin ist. Skye springt nicht von Hochhäusern und führt auch keine Armeen an. Aber als sie erkennt, dass sie auf der falschen Seite steht, entscheidet sie sich dafür, die Augen nicht vor der Wahrheit zu verschließen.
Skye kommt wie wir alle aus einer Welt, die von Diskriminierung, Populismus und impulsiven politischen Entscheidungen beherrscht wird. Umso begeisterter ist sie von der Kristallisierungsbewegung, die Amerika fünf Jahre vor dem Einsatz der Handlung zu den „Gläsernen Nationen“ gemacht hat. Um Klarheit in unsichere Zeiten zu bringen, werden die Bürger der Gläsernen Nationen in Rationale und Emotionale eingeteilt – sozusagen in Kopfmenschen und Herzmenschen. Die Idee ist, dass politische Skandale verhindert werden können und die Menschen allgemein glücklicher leben würden, wenn ihre private Umgebung, also zum Beispiel ihr Arbeitsplatz, ihrer Persönlichkeitsausrichtung entspräche.
Als meine 16-Jährige Protagonistin Skye zur Testung einberufen wird, beginnt sie jedoch schnell, an diesem neuen System zu zweifeln. Welchem Zweck dienen die verstörenden Prüfungen wirklich? Wer ist der mysteriöse Testleiter, der Skye zu warnen versucht? Und wohin verschwinden die Mädchen, die im täglichen Ranking abfallen?
Bald muss Skye zu ihrem Horror erkennen, dass hinter der Einteilung in Rationale und Emotionale noch etwas völlig anderes steckt, als sie und die gesamte Welt geglaubt haben…
In welche Kategorie würdest du dich selbst einordnen? Bist du eher rational oder emotional?Das ist eine schwierige Frage! Ich glaube, ich bin beides gleichzeitig
Kannst du dich noch erinnern, aus welcher ersten Idee „Falling Skye“ geboren wurde?
Auf die Idee für einen Staat, der seine Bürger testet und in Kategorien einteilt, hat mich die aktuelle politische Lage gebracht. Leider finden extreme Regime, ganz egal in welche Richtung „extrem“ geht, in unsicheren Zeiten wie den heutigen oft eine hohe Gefolgschaft.
Aber über die Idee, die eigentlich hinter „Falling Skye“ steckt, kann ich leider gar nicht so viel sagen, ohne das Ende von Band 1 zu verraten. Nur so viel: In „Falling Skye“ geht es zwar um die Einteilung in Rationale und Emotionale, doch es steckt noch etwas komplett anderes hinter den Traits als die Kategorisierung der menschlichen Persönlichkeit. Und das, was dahintersteckt, ist erschreckend realistisch.
„Falling Skye“ ist eine Warnung, die darauf aufmerksam machen soll, zu hinterfragen, selbst nachzudenken und abzuwägen, anstatt alles als gegeben und wahr hinzunehmen, was einem erzählt wird. Warum glaubst du ist es wichtig, deinen Lesern diese Botschaft mit auf den Weg zu geben?
Wir leben in einer Zeit der globalen Krisen. Da ist es ganz natürlich, nach Sicherheit zu streben. Nur kann dieser Wunsch nach Sicherheit und Stabilität böse enden, wenn wir uns von einfachen Versprechen überzeugen lassen, statt den schweren Weg der Problemlösung zu gehen. Wenn wir aufhören, zu denken und denen die Entscheidungen überlassen, die unsere Lage schon retten werden. Unsicherheit ist leider ein perfekter Nährboden für extreme Bewegungen, deren Wachsen ich persönlich für die größte aller globalen Krisen halte.
„Falling Skye“ richtet sich allen voran an Jugendliche und junge Erwachsene. Wenn wir alle anfangen, zu hinterfragen, unsere Stimme zu nutzen und unsere Augen nicht vor der Wahrheit zu verschließen, dann würde ich mich schon um einiges sicherer fühlen.
Beschäftigst du dich viel mit der aktuellen Politik?
Ich versuche es, obwohl ich bei Weitem keine Expertin bin. Aber ich halte es für sehr wichtig, zu wissen, was in der Welt passiert.
Nehme wir mal an, du könntest einen deiner Protagonisten/innen persönlich treffen. Welchen würdest du wählen? Warum ausgerechnet ihn/sie?
Hm … Ich glaube, ich würde mich tatsächlich mit Chloe Cremonte treffen. Wahrscheinlich haltet ihr mich jetzt alle für verrückt, weil ich die mutige Skye, die willensstarke Luce und all die anderen sympathischen Charaktere übergehe, aber vielleicht versteht ihr mich, wenn ihr Band 2 gelesen habt. 🙂
Werden wir in Zukunft noch mehr Bücher von dir das Licht der Welt erblicken? Darfst du uns schon etwas über sie erzählen?
Im Herbst 2020 kommt der Folgeband zu „Falling Skye“ heraus, an dem ich im Augenblick arbeite. Darauf freue ich mich schon riesig! Was danach passiert, steht noch ein wenig in den Sternen, aber ein Leben ohne Schreiben kann ich mir auf jeden Fall nicht mehr vorstellen.
Liebe Lina, vielen Dank für deine tollen und ausführlichen Antworten. 😀
Wenn ihr mehr über Lina erfahren wollt, findet ihr sie auf Instagram oder auf ihrer Website.
Hier gehts zu Falling Skye.
©
Foto: Lina Frisch
Cover: Coppenrath Verlag